Meditationsweg im Kurpark

MEDITATIONSWEG IM KURPARK HEILSAME WEGE UND ORTE

ZUR BEGRÜSSUNG Liebe Kurgäste, liebe Leser und Leserinnen dieser Broschüre! Vom geistreichen bayerischen Komiker Karl Valentin gibt es einen tiefsinnigen Ausspruch: „Gestern wollt ich mich besuchen, leider war ich nicht zuhause.“ Nicht bei sich zuhause sein, leider ist das möglich und leider ist das die Quelle von allerlei Übeln und von mancherlei Beschwerden: körperlichen, psychischen, geistigen und spirituellen. Unser Meditationsweg will Sie dazu verlocken, sich auf den Weg zu machen, an den einzelnen Stationen innezuhalten und sich anregen zu lassen: zum Nachdenken, zum Verweilen, zum Meditieren. Wer weiß, ob Sie nicht auf diesen heilsamen Wegen und an diesen heilsamen Orten wieder mehr zu sich finden und mehr bei sich zuhause sein können. Rekreation sagen die Mönche zu ihren Pausen. Rekreation bedeutet, Leben und Atem schöpfen, wieder Mensch werden. Wir hoffen, dass Ihr Aufenthalt in Bad Birnbach für den ganzen Menschen heilsam und erholsam wird: dass Sie neu Atem schöpfen können, dass Sie wieder Kraft finden, dass Sie Rekreation finden. Mit herzlichen Grüßen Dr. Wolfgang Schneider Dr. Philipp Augustin Dekan ev. Pfarrer und Kurseelsorger Dagmar Feicht Viktor Gröll Erster Bürgermeisterin Leiter der Kurverwaltung 2

An jeder Station finden Sie Tafeln mit Anregungen, die Broschüre dient der Vertiefung. Die Zeichnungen von Thomas Richter, die er extra für den Meditationsweg gestaltet hat, laden ein das Schauen zu üben - vor Ort im Kurpark und hier mit der Broschüre. Unseren Weg können Sie dreifach gehen, so wie es Ihnen entspricht: • Sie gehen mit oder ohne Broschüre den ganzen Meditationsweg und lassen sich von den Gedanken auf den Tafeln und von den Texten der Broschüre anregen. • Sie wählen sich eine Station des Meditationsweges aus und ver- tiefen sich in das Thema dieser Station mit Hilfe der Texte, die Sie in dieser Broschüre finden. • Sie nehmen an einem Angebot der Kurseelsorge teil und lassen sich durch den Meditationsweg führen. Übrigens: An jeder Station finden Sie die „Birnbach-Rose“ als Erkennungszeichen. Die Rose ist ein Symbol der Liebe und der Zuneigung, der Hingabe und der geheimnisvollen Ganzheit. Ihre Gestalt, ihre Schönheit und ihr Duft laden zum Entdecken ein. HEILSAME ORTE UND HEILSAME WEGE ÜBERSICHT 3

Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich? Uralte Fragen, auf die wir Antworten suchen (sollen), Antworten, die das Gedicht andeutet: DAS LABYRINTH WEG DES LEBENS „Ich bin ein Sucher eines Weges, zu allem, was mehr ist als Stoffwechsel, Blutkreislauf, Nahrungsaufnahme, Zellenzerfall. Ich bin ein Sucher eines Weges, der breiter ist als ich. Nicht zu schmal, Kein Ein-Mann-Weg. Aber auch keine staubige, tausendmal überlaufene Bahn. Ich bin ein Sucher eines Weges, Sucher eines Weges für mehr als mich.“ (Günter Kunert) Labyrinthe führen nicht in die Irre, sie zeichnen den Lebensweg nach: Du beginnst, gehst auf ein Ziel zu, gehst Umwege und kommst – hoffentlich – doch am Ziel, in der Mitte, an. 4

Bevor der junge Tobit sich auf eine weite, gefahrvolle Reise begibt, legt ihm sein Vater Weg-Weisungen ans Herz: „Was dir selbst verhasst ist, das mute auch einem anderen nicht zu! Betrink dich nicht; der Rausch soll nicht dein Begleiter sein. Gib dem Hungrigen von deinem Brot und dem Nackten von deinen Kleidern! Wenn du Überfluss hast, dann tu damit Gutes und sei nicht kleinlich, wenn du Gutes tust... Such nur bei Verständigen Rat; einen brauchbaren Ratschlag verachte nicht! Preise Gott, den Herrn, zu jeder Zeit; bitte ihn, dass dein Weg geradeaus führt und dass alles, was du tust und planst, ein gutes Ende nimmt. Denn kein Volk ist Herr seiner Pläne, sondern der Herr selbst gibt alles Gute und er erniedrigt, wen er will, wie es ihm gefällt. Denk also an meine Lehren, mein Sohn! Lass sie dir nie aus dem Herzen reißen!“ (Tob 4,15-19) · Welche Weg-Weisungen Tobits sind für mich wichtig? · Welchen Weg-Weisungen folge ich? Eindringlich mahnt die Geschichte, nicht eine Kopie, sondern ein Original zu werden. Jedem ist eine unverwechselbare Einmaligkeit zugedacht: In einer chassidischen Geschichte erzählt Rabbi Susja: In der kommenden Welt wird man nicht fragen: Warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich vielmehr fragen: Warum bist du nicht Susja gewesen? Man wird mich nicht fragen: Warum hast du nicht das Maß erreicht, das der größte und gewaltigste Glaubende unserer Religion gesetzt hat? Sondern man wird mich fragen: Warum hast du nicht das Maß erfüllt, das Gott dir ganz persönlich gesetzt hat? Warum bist du nicht das geworden, was du eigentlich hättest werden sollen? · Wo passe ich mich an? Wo grenze ich mich ab? · Spüre ich, ob und wann ich werde, was ich sein soll / was ich werden kann? 5

Es sind oft „nur“ die kleinen, aber dennoch feinen Unterschiede einer Entscheidung, die dem Leben Richtung und Prägung geben. DAS WEGKREUZ ENTSCHEIDUNG Im gelben Wald zwei Wege boten sich mir dar Und traurig, dass ich nicht konnt beide nehmen und nur einen gehn, blieb ich lange stehn blickt ihm nach, so weit ich konnt, bis er sich verlor im tiefen Holz. Ich sage dies mit einem tiefem Seufzer in all den Jahren und Jahren seither: Im Wald zwei Wege boten sich mir dar, und ich wählte den, der weniger betreten war und das änderte mein Leben. (Robert Frost) In den vielen Entscheidungen des Lebens kommt es letztlich darauf an, eine Grundentscheidung zu treffen, mehr noch: sie zu verwirklichen: Wegkreuze sind stille Einladungen am Wegesrand: Bleib stehen, halte inne. Bedenke, wohin du gehst. Bedenke, welchen Weg du nimmst. 6

„Hiermit lege ich Dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor. Wenn du auf die Gebote des Herrn, deines Gottes, auf die ich dich heute verpflichte, hörst, indem du den Herrn, deinen Gott, liebst, auf seinen Wegen gehst und auf seine Gebote... achtest, dann wirst du leben und zahlreich werden, und der Herr, dein Gott, wird dich in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, segnen… Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst.“ (Dtn 30,15f.19) · Weiß ich, was mir Segen gebracht hat und was nicht? · Erkenne ich lebensdienliche bzw. dem Leben abträgliche Entscheidungen? Wer sich entscheidet, wählt aus. Darin liegen Not und Segen der Entscheidung: sich vieles offen halten oder den Lebensweg formen wollen? „Es war einmal ein Wunderknabe, zu dem kamen von weither die Menschen, um seinen Rat zu holen. Dann aber machte er sich auf die Wanderschaft, denn er wollte die ganze Welt nun selbst erkunden. Kaum eine Stunde von zu Hause weg kam er an einen Kreuzweg, der ihn zwang, zwischen drei Möglichkeiten zu wählen. Er ging geradeaus weiter und musste dabei links und rechts ein Tal ungesehen liegen lassen. Schon war seine Welt zusammen geschrumpft. Auch bei der nächsten Gabelung büßte er Möglichkeiten ein, und bei der dritten, und bei der vierten. Jeder Weg, den er einschlug, jede Wahl, die er traf, trieben ihn in eine engere Spur. So ging er und wurde älter, hatte tausend Wege verpasst und Möglichkeiten auslassen müssen. Da sprach er zu sich selbst: Ich wäre besser zu Hause geblieben, dann hätte ich mich nie entscheiden müssen, und alle Möglichkeiten wären noch da. Müde ging er den Weg zu Ende, den er einmal begonnen hatte. Es blieb nur noch ein kurzes Stück. Er schaute sich um und merkte erstaunt, dass er auf einem Gipfel stand. Der Boden, den er verloren hatte, lag in Terrassen unter ihm. Er überblickte die ganze Welt, auch die verpassten Täler, und es zeigte sich, dass er sein Leben lang aufwärts gegangen war. · Wie leicht, wie schwer entscheide ich mich? · Wie geht es mir, wenn Entscheidung Verzicht bedeutet? Wie treu stehe ich zu ihnen? 7

Was lässt ein Leben fruchtbar werden: Quelle zu sein oder aus der Quelle zu schöpfen und sich so für den Auftrag des Lebens zu bereiten?! LÖWENBRUNNEN QUELLEN DES LEBENS Indischer Falter Vielleicht sind wir nichts als Schalen womit der Augenblick geschöpft wird. In einem alten Mann der umfällt in Hamburg oder Manhattan stirbt ein Schmetterling die blauen Flügel öffnend - seit dreißig Jahren in Angkor-Vath*. Vielleicht wird nichts verlangt von uns während wir hier sind, als ein Gesicht leuchten zu machen bis es durchsichtig wird. Und das Leuchten dieses einen Gesichts aufzubewahren wie der alte Mann den Glanz seines indischen Falters. Bis wir hingelegt werden und alles für immer erinnern – oder vergessen. (Hilde Domin) *Angkor-Vath ist eine prächtige Tempelanlage in Kambodscha. Aus dem Löwenbrunnen fließt heilsames Thermalwasser. Für dieses Wasser gilt: Es ist unverzichtbares Lebensmittel und es ist Heilmittel. 8

Der Dichter des Psalms gerät ins Staunen und findet so Gott als den Ursprung des Lebens und den Grund aller Erkenntnis: „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, / deine Treue, so weit die Wolken ziehn. // Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes, / deine Urteile sind tief wie das Meer... // Gott, wie köstlich ist deine Huld! Die Menschen bergen sich im Schatten deiner Flügel,... / du tränkst sie mit dem Strom deiner Wonnen. // Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, / in deinem Licht schauen wir das Licht. // Erhalte denen, die dich kennen, deine Huld / und deine Gerechtigkeit den Menschen mit redlichem Herzen!“ (Ps 36,6-11) · Kann ich staunen über das, was mir begegnet? · Was erkenne ich als meine Quellen und was schenkt mir das Licht der Einsicht? Von Quellen ist leicht zu reden, doch muss ich sie finden und sie als solche erkennen. Eine Geschichte erzählt, wie schwer das Manchem fällt: „Ein moderner Mensch verirrte sich in der Wüste. Wie lange braucht man, um zu verhungern und zu verdursten? überlegte er. Die unbarmherzige Sonnenglut hatte ihn bald ausgedörrt. Er fieberte. Wenn er erschöpft ein paar Stunden einschlief, träumte er von Wasser. Dann erwachte er wieder und taumelte weiter. Da sah er in einiger Entfernung eine Oase. Eine Fata Morgana, dachte er verzweifelt, eine Luftspiegelung, die mich nur narrt, denn da ist ja nichts. Er näherte sich der Oase: Die verschwand nicht, sie wurde sogar immer deutlicher. Er sah Dattelpalmen und Felsen, zwischen denen eine Quelle entsprang. Es ist wohl eine Halluzination, dachte er. Wie grausam die Natur ist. Mit diesem Gedanken brach er zusammen und starb. Eine Stunde später fanden ihn zwei Beduinen. „Kannst du das verstehen?“ sagte der eine zum andern. „Die Datteln wachsen ihm beinahe in den Mund; er liegt nahe bei der Quelle. Am Rande der Oase verhungert und verdurstet - wie ist das nur möglich?“ „Er war ein moderner Mensch“, antwortete der andere Beduine. „Er hat nicht daran geglaubt.“ · Weiß ich um die Täuschungen, denen ich erliege? · Gehe ich auch an dem vorbei, was Leben spendet? 9

Ein junger Mensch weitet in Paris seinen Horizont und geht so in die Tiefen und Untiefen seines Wesens. Das schenkt ihm manche Einsicht: „Das Schicksal liebt es, Muster und Figuren zu erfinden. Seine Schwierigkeit beruht im Komplizierten. Das Leben selbst aber ist schwer aus Einfachheit. Es hat nur ein paar Dinge von uns nicht angemessener Größe. Der Heilige, indem er das Schicksal ablehnt, wählt diese, Gott gegenüber... Immer übertrifft die Liebende den Geliebten, weil das Leben größer ist als das Schicksal. Ihre Hingabe will unermesslich sein: dies ist ihr Glück. Das namenlose Leid ihrer Liebe aber ist immer dieses gewesen: dass von ihr verlangt wird, diese Hingabe zu beschränken.“ (Rainer Maria Rilke) Mit dem Kopf auf dem Stein der Realität wird Jakob eine alles übersteigende Vision zuteil. Beides zusammen erst öffnet den Himmel: FELDSTEIN GEWICHT DES LEBENS Feldsteine sind Zeugen der arbeitenden Natur. Durch Auswaschungen frei gelegt erinnern sie an das Gewicht des Lebens. 10

„Jakob zog aus Beerscheba weg und... kam an einen bestimmten Ort, wo er übernachtete, denn die Sonne war untergegangen. Er nahm einen von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein. Da hatte er einen Traum: Er sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Und siehe, der Herr stand oben und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks... Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dieses Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich dir versprochen habe. Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sagte: Wirklich, der Herr ist an diesem Ort und ich wusste es nicht.“ (Gen 28,10-16) · Lebe ich in Kontakt mit meiner, auch harten Wirklichkeit („Stein“)? · Wird mir dennoch ein Ausblick geschenkt? Niemand sollte das Schwere des Lebens schön reden; und doch wird Wachstum oft erst möglich, wenn man Lasten zu tragen hat: „Eine kleine Palme wuchs kräftig am Rande einer Oase. Eines Tages kam ein Mann vorbei. Er sah die kleine Palme und konnte es nicht ertragen, dass sie so prächtig wuchs. Da nahm er einen schweren Stein und hob ihn in die Krone der Palme. Schadenfroh lachend suchte er das Weite. Die kleine Palme versuchte, den Stein abzuschütteln. Aber es gelang ihr nicht. Sie war verzweifelt. Da sie den Stein nicht aus ihrer Krone bekam, blieb ihr nichts anderes übrig, als mit ihren Wurzeln immer tiefer in die Erde vorzudringen, um besseren Halt zu finden und nicht unter der Last zusammenzubrechen. Schließlich kam sie mit ihren Wurzeln bis zum Grundwasser und trotz der Last in der Krone wuchs sie zur kräftigsten Palme der Oase heran. Nach mehreren Jahren kam der Mann und wollte in seiner Schadenfreude sehen, wie verkrüppelt die Palme sei, sollte es sie überhaupt noch geben. Aber er fand keinen verkrüppelten Baum. Plötzlich bog sich die größte und kräftigste Palme der Oase zu ihm herunter und sagte: „Du hast mir damals den Stein in die Krone gelegt. Deine Last hat mich stark gemacht!“ · Was beschwert, belastet mich, drückt mich nieder? · Welche Kräfte habe ich, um standzuhalten, um dennoch zu wachsen? 11

Abschied und Neuanfang sind notwendige Lebensschritte. Der Übergang ist oft ein Wagnis, das uns vieles, manchmal alles abverlangt: BRÜCKE ÜBERGÄNGE UND AUFBRÜCHE „Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / DemAlter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jedeWeisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zumAbschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedemAnfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinemwie an einer Heimat hängen, DerWeltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf’ umStufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden... Wohlan denn, Herz, nimmAbschied und gesunde!“ (Hermann Hesse) Brücken überwinden Flüsse und Schluchten, sie schaffen Verbindungen zwischen Menschen, lassen an andere Ufer gelangen und zu Neuem aufbrechen. 12

Indem Abram aufbricht, betritt er eine Brücke, die ihn so sehr verändert, dass am anderen Ende sogar sein Name sich ändert. Er wird zu Abraham. „Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da zog Abram weg..., und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran fortzog. Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten... Sie wanderten nach Kanaan aus und kamen dort an. (Gen 12,1-5) · Wie oft bin ich innerlich / äußerlich schon aufgebrochen – und wohin? · Wer hat mich begleitet und war (ist) mein Weggefährte? Eine Geschichte lädt ein zum Übergang und Überstieg: von den buchstäblichen zu den metaphorischen Brücken: „Du hast einen schönen Beruf“, sagt ein Kind zum alten Brückenbauer, „es muss schwer sein, Brücken zu bauen.“ „Wenn man es gelernt hat, ist es leicht“, antwortet der Brückenbauer, „es ist leicht, Brücken aus Beton und Stahl zu bauen. Die anderen Brücken sind viel schwieriger. Die baue ich in meinen Träumen.“ „Welche anderen Brücken?“ fragt das Kind. Der alte Brückenbauer sieht das Kind nachdenklich an. Er weiß nicht, ob es verstehen wird. Dann sagt er: „Ich möchte eine Brücke bauen von der Gegenwart in die Zukunft. Ich möchte eine Brücke bauen von einem zum anderen Menschen, von der Dunkelheit in das Licht, von der Traurigkeit zur Freude. Ich möchte eine Brücke bauen, von der Zeit in die Ewigkeit.“ Das Kind hat nicht alles verstanden, spürt aber, dass der alte Brückenbauer traurig ist. Weil das Kind ihn wieder froh machen will, sagt es: „Ich schenke dir meine Brücke.“ Und das Kind malt für den Brückenbauer einen bunten Regenbogen.“ · Zu wem baue ich Brücken? Wohin möchte ich Brücken bauen? · Und habe ich auch Brücken abgebrochen, gar endgültig? 13

MAMMUTBAUM WACHSTUM AUS LIEBE Die Liebe ist eine wilde Rose in uns. Sie schlägt ihre Wurzeln in den Augen, wenn sie dem Blick des Geliebten begegnen. Sie schlägt ihre Wurzeln in den Wangen, wenn sie den Hauch des Geliebten fühlen. Sie schlägt ihre Wurzeln in der Haut des Armes, wenn sie die Hand des Geliebten berührt. Sie schlägt ihre Wurzeln, wächst, wuchert, und eines abends oder eines morgens spüren wir nur: sie verlangt Raum in uns. Die Liebe ist eine wilde Rose in uns, unerforschbar vom Verstand und ihm nicht untertan. Aber der Verstand ist ein Messer in uns. Der Verstand ist ein Messer in uns, zu schneiden der Rose durch hundert Zweige einen Himmel. (Reiner Kunze) Liebe und Vernunft - gehen diese beiden zusammen? Im Gedicht wird deutlich, wenn Liebe und Vernunft zusammenkommen, können sie den Himmel öffnen. Mitten im Kurpark steht ein Mammutbaum. Gepflanzt und gepflegt wurde er von zwei Kurgästen, die sich in Bad Birnbach kennen- und lieben gelernt haben und füreinander zum Glück geworden sind. 14

Liebe und Wahrheit sind der Wurzelgrund, aus dem das Eigene und der Gemeinsinn erwachsen. So öffnen wir uns für das Geheimnis, dem alles entspringt. „Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt. Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut.“ (Eph 4,14-16) · Entwurzelt bin ich ein Spiel der Wellen; kenne ich das von mir? · Verwurzelt bin ich fähig in Liebe und Wahrheit zu leben – und ich? Ein Mensch, der die Nacht vom Tag, die Liebe von der Lieblosigkeit, den Eigensinn vom Gemeinsinn unterscheiden will, muss anfangen, tiefer zu sehen: „In einer chassidischen Geschichte fragt ein Rabbi seine Schüler: „Wann wird es Tag?“ Die Frage scheint leicht, und so haben seine Schüler schnelle Antworten bereit. „Es wird Tag, wenn ich die ersten Umrisse der Bäume erkennen kann,“ sagt einer. Ein anderer meint: „Wenn die Sonne aufzugehen beginnt“. Und ein dritter weiß noch eine dritte Antwort. Aber der Rabbi ist nicht zufrieden. „Nein“, so sagt er, „Es wird dann Tag, wenn wir in den Gesichtern der Menschen den Bruder und die Schwester erkennen.“ · Wie steht’s um meine Fähigkeit zu unterscheiden? · Kann ich Erfahrungen erinnern, in denen ich das Helle, Lichte erkennen durfte? 15

Angelus Silesius (Johannes Scheffler) war ein leidenschaftlich suchender Mensch. Mit seinen Sprüchen regt er an, zu suchen – ohne dem Suchen ein Ende zu setzen. BAUERNGARTEN PARADIESISCHE ERFAHRUNG „Gott ist in mir das Feuer / und ich in Ihm der Schein: Sind wir einander / nicht ganz inniglich gemein. Bist du aus Gott geboren/ so blühet Gott in dir: Und seine Gottheit ist dein Saft / und deine Zier. Halt an, wo läufst du hin / der Himmel ist in dir: Suchst du Gott anderswo / du fehlst Ihn für und für. Mensch, werde wesentlich / denn wann die Zeit vergeht / So fällt der Zufall weg / das Wesen, das besteht. (Angelus Silesius) Der Bauerngarten mit seinen vielen Blumen, Sträuchern und Gewürzpflanzen ist nicht nur lehrreich. Er erinnert auch an den Paradiesesgarten und damit an „paradiesische“ Erfahrungen des Lebens. 16

Im letzten Buch der Bibel steht am Ende die Vision einer Gartenstadt, die vom ursprünglichen Licht erleuchtet wird, eine „Lichtung“ Gottes: „Er zeigte mir einen Strom, das Wasser des Lebens, klar wie Kristall; er geht vom Thron Gottes und des Lammes aus. Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, hüben und drüben, stehen Bäume des Lebens. Zwölfmal tragen sie Früchte, jeden Monat einmal; und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker. Es wird nichts mehr geben, was der Fluch Gottes trifft. Der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt stehen und seine Knechte werden ihm dienen. Sie werden sein Angesicht schauen und sein Name ist auf ihre Stirn geschrieben. Es wird keine Nacht mehr geben und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ (Offb 22,1-5) · Kenne ich lichtvolle Augenblicke in meinem Leben? · Was erleuchtet mich? Und was macht mich licht und leicht? Der Versuch, das Paradies auf Erden zu schaffen, endet stets als Hölle. Wer den Himmel sucht, muss mit Überraschungen rechnen. Wer das Paradies finden will, muss sich auf den Weg machen: „Es waren zwei Mönche, die lasen miteinander in einem alten Buch, am Ende der Welt gebe es einen Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Sie beschlossen, ihn zu suchen und nicht umzukehren, bevor sie ihn gefunden hätten. Sie durchwanderten die Welt, bestanden zahlreiche Gefahren, erlitten alle Entbehrungen, die eine Wanderung durch die ganze Welt fordert, und alle Versuchungen, die einen Menschen von seinem Ziel abbringen können. Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen, man brauche nur anzuklopfen und befinde sich bei Gott. Schließlich fanden sie, was sie suchten. Sie klopften an die Tür, bebenden Herzens sahen sie, wie sie sich öffnete, und als sie eintraten, standen sie zu Hause in ihrer Klosterzelle. Da begriffen sie: Der Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren, befindet sich auf dieser Erde an der Stelle, die uns Gott zugewiesen hat.“ · Bin ich eher ein satter oder eher ein suchender Mensch? · Bin ich bereit, den Himmel überraschend und anderswo zu finden? 17

HÖLZLBERG Versteckt im Wald (mit Wanderkarte gut zu finden) liegt die Wallfahrtskirche St. Georg, gehütet von der nebenan wohnenden Mesnerfamilie. Fast wäre sie abgerissen worden, doch die Bauern der Umgebung retteten sie 1812 auch für uns Heutige. Setzen Sie sich in die Kirche, bewundern Sie die gotischen Wandmalereien und Sie werden die Kraft des Ortes spüren. GROTTE DER SINNE Unsere Sinne sind die Fenster und Türen zur Welt. In dieser Dampfsauna können sie ihre Sinne pflegen: im Gehen auf unterschiedlichen Böden, im Schauen unterschiedlicher Farben, im Wahrnehmen des Dampfes und der Hitze auf der Haut. Die Grotte der Sinne: eine Schule der Sinne – eine Schule für Lebendigkeit! WEITERE HEILSAME ORTE IN UND UM BAD BIRNBACH HOLZKAPELLE Von der Pfarrkirche aus gehen Sie über den Kalvarienberg, der einen wunderschönen Überblick über das Rottal bietet, weiter über den Waldlehrpfad oder den Kreuzweg zur Holzkapelle mitten im Wald. Die vielen Wege, die sich hier kreuzen, zeigen, wie sehr die Kapelle geschätzt wird – ein stiller Ort zum Verweilen. Nach einem Eintrag ins Bittenbuch können Sie sich frohgemut wieder auf den Weg machen. GRADIERWERK Keine Angst, im einzigartigen Gradierwerk gibt’s nichts zu arbeiten. Der Anklang an die Salzbergwerke vermittelt eher einen ersten Eindruck, dass die wohltuende, salzhaltige Luft dem ganzen Körper, vor allem natürlich den Lungen, beim Atmen hilft. Dann können die Lungen wieder besser arbeiten und der ganze Mensch kann freier atmen und leben. Und natürlich die Rottal Terme Was könnte heilsamer sein, als Bad Birnbachs Thermalwasser und die Angebote der Rottal Terme® zu genießen. Hier zwei Attraktionen von vielen: 18

KURSEELSORGE Viele Menschen sind in Bad Birnbach für Sie da und umsorgen Sie während Ihres Aufenthaltes. Wir wollen unseren Beitrag leisten, damit Sie an Leib und Seele gesund werden und aufatmen können. Evangelische und katholische Seelsorger arbeiten in der Kurseelsorge zusammen. Wir bieten eigene Angebote an und stehen für Gespräche zur Verfügung (am besten Sie rufen vorher an, damit wir für Sie da sein können). Herr Dr. Philipp Augustin, evangelischer Pfarrer, Kurseelsorger T 0 85 32.77 11 · F 0 85 32.92 08 37 · pfarramt.badgriesbach@elkb.de Herr Mario Unterhuber, Diakon, Kur- und Altenheimseelsorger T 0 85 63.9 11 15 · pfarramt.bad.birnbach@bistum-passau.de · · · · · THEMENWANDERUNGEN Erfahren Sie Neues und Althergebrachtes in den Themenwanderungen. Die bäuerliche Kulturlandschaft des Rottals ist übersät mit dörflichen Sakralbauten, Gedenktafeln und kleinen Hofkapellen. Auch zahlreiche Trachtenvereine halten althergebrachtes, bäuerliches Brauchtum in Ehren. Damit wir das Kulturerbe nicht aus den Augen verlieren, haben wir uns entschlossen, Ihnen einige Themen aus dem Brauchtumskalender in einer Themenwanderung näher zu bringen. Termine und Themen finden Sie Online im Veranstaltungskalender, im Kulturspatz oder lassen Sie sich in unserer Gästeinformation beraten. (T 0 85 63.96 30 46) · · · · · GEFÜHRTE WANDERUNGEN Mehrmals in der Woche können Sie an unseren geführten Wanderungen teilnehmen und das Rottal besser kennenlernen. Lassen Sie die traumhafte Landschaft auf sich wirken und hören Sie in Ihr Innerstes um auch Ihrer Seele etwas Gutes zu tun. Weitere Informationen und Termine finden Sie online unter www.badbirnbach.de und im Kulturspatz oder rufen Sie uns an unter T 0 85 63.96 30 46. 19

· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · BAD BIRNBACH · Neuer Marktplatz 1 · 84364 Bad Birnbach · T +49 (0) 85 63.96 30 40 F +49 (0) 85 63.96 30 66 · kurverwaltung@badbirnbach.de · www.badbirnbach.de BILDNACHWEIS: Alle Zeichnungen von Thomas Richter TEXTNACHWEISE Biblische Texte aus der Einheitsübersetzung, Günter Kunert, Erinnerungen an einen Planeten, Carl-Hanser-Verlag, Martin Buber, Chassidische Geschichten, Manesse-Verlag, Robert Frost, The road not taken, From Mountain Interval, 1916., Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten 1-5, Grünewald-Verlag, Rainer Maria Rilke, Gesammelte Werke, Insel-Verlag, Hilde Domin, Gesammelte Gedichte, S.Fischer-Verlag, Reiner Kunze, Brief mit blauem Siegel, Reclam-Verlag Hermann Hesse, Gesammelte Gedichte, suhrkamp verlag, Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann, Reclam-Verlag LAYOUT UND GESTALTUNG: Marina Reiss, Kurverwaltung Bad Birnbach 08/2022

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